War for Talents

Marcus Mausberg, Geschäftsführer, mausberg consulting
mausberg consulting

Herr Mausberg, erzählen Sie uns bitte ein wenig über Ihren Werdegang. 

Ich bin seit 1989 in der Kosmetik- und Waschmittelindustrie tätig. Begonnen hat alles mit einer Ausbildung zum Chemielaboranten im Hause Henkel. Bereits während der Ausbildung war ich in der Produktentwicklung sowie in der Analytik für Kosmetika und Wasch- und Reinigungsmittel tätig. Nach acht Jahren im Labor bin ich dann in den Vertrieb erklärungsbedürftiger Roh- und Wirkstoffe gewechselt. Wiederum gute zehn Jahre später, im Jahr 2007, habe ich die neochem gegründet, ein Distributionsunternehmen mit dem Fokus auf Personal Care und HI&I Roh- und Wirkstoffe. In 2011 akquirierten wir die domal Wasch und Reinigungsmittel GmbH in Stadtilm hinzu und aufgrund des schieren Umfangs der Gruppentätigkeiten mussten Serviceunternehmen gegründet werden, die die vielfältigen Aufgaben in der IT, dem Marketing sowie in der Buchhaltung und im Regulatory Affairs Management bewältigt haben.

Inwiefern hatten Sie in diesen fast dreißig Berufsjahren Berührungspunkte mit dem „War for Talents“? 

Ich gründete 2007 in einem existierenden und gut funktionierenden Markt, dem Markt des Rohstoffhandels, einen klassischen Marktfolger. Die Wettbewerber waren nicht nur etabliert und in vieler Hinsicht der „Ein-Mann-Bude“ neochem überlegen, sondern hatten auch ein entsprechendes Ansehen bei potentiellen Bewerbern. Das war mein persönlicher „War for Talents“. Schon damals war es meine Herausforderung, gute und motivierte – ja leidenschaftliche – Mitarbeiter für neochem gewinnen. Das ist mir und später meinem Team immer wieder gelungen. Auch heute sind wir „neochemler“ noch immer eine starke Gemeinschaft.

Sie haben Ihren „War for Talents“ also gewonnen?

Ganz klar: nein. So gut die „Schlachten“ um Talente bei neochem meistens gewonnen wurden, so negativ verliefen diese bei domal. Ich habe hier sehr einschneidend die Erfahrung machen müssen, dass man mit den falschen Protagonisten keinen „Krieg“ gewinnen kann. Wohin das führen kann, zeigte sich dann schließlich mit der Insolvenz der domal, die für mich zu den prägendsten Erfahrungen meiner Karriere gehörte.

Wie genau definieren Sie denn den Begriff „War for Talents“?

Im Prinzip umschreibt der Begriff „War for Talents“ das nahezu jedem bekannte Prinzip der Marktwirtschaft; nämlich das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage. Bereits 1997 wurde der Begriff „War for Talents“ durch eine bekannte Unternehmensberatung erstmals thematisiert. Gemeint ist damit der zunehmende Kampf um Talente, also qualifizierte Nachwuchskräfte mit Entwicklungspotenzial. Fakt ist, dass es für leichte Arbeiten, die durch einfaches Anlernen zu meistern sind, ein Überangebot an Arbeitskräften gibt. Gleichzeitig sind Berufe, bei denen Fachwissen und durch Berufserfahrung erworbene Expertise zählen, zu Mangelberufen geworden: Die Nachfrage nach diesen Fachkräften übersteigt das Angebot deutlich.

Woran machen Sie diesen „War for Talents“ in unserer Industrie fest?

Neben den gefühlten und auch durch meine Mandanten immer wieder festgestellten Faktoren „Dauer der Suche nach qualifizierten Angestellten“ und „durchschnittliches Gehalt der finalen Besetzung“, kann man auch in diesem Fall Statistiken heranführen. Eine entscheidende Rolle spielt hier zum Beispiel die Entwicklung der Geburtenrate im Verhältnis zum Wachstum in der Branche. Wurden in den Sechzigern noch knapp 18 Kinder im Jahr pro 1.000 Einwohner geboren, so waren es zwischen 1985 und 1994 nur noch rund 11 Geburten im Jahr pro 1.000 Einwohner. Dementsprechend niedriger liegt auch die Zahl der Studienabgänger bzw. ausgebildeten Fachkräfte, die in den letzten zehn Jahren bis heute in den Arbeitsmarkt eingetreten sind. Gleichzeitig ist es aber so, dass der Markt der Wasch- und Reinigungsmittel und der Kosmetika kontinuierlich gewachsen ist und weiterhin wächst. Laut IKW lag der Gesamtumsatz in der Branche der Wasch- und Reinigungsmittel sowie der Kosmetika in 1990 bei ca. 8,4 Mrd. Euro. Zwanzig Jahre später – in 2010 – waren es dann schon fast 16,8 Mrd. Euro und seitdem ist der Markt weiter auf beinahe 18,6 Mrd. Euro gewachsen. Aktuell sind fast 50.000 Menschen direkt in dieser Industrie beschäftigt. Vergleicht man nun die Geburtenrate und das Wachstum, kann man erahnen, dass der „War for Talents“ nicht nur in vollem Gange ist, sondern – um im Bild zu bleiben – bereits erste „Opfer“ fordert.

Wie sieht das konkret aus?

Es ist symptomatisch geworden, dass Positionen länger unbesetzt bleiben als dies noch vor ein bis zwei Jahren der Fall gewesen ist. Auch werden sie heute teilweise deutlich besser, mitunter sogar unrealistisch hoch entlohnt. Das sind aber nur die Wirkungen, interessanter ist der Blick auf den zugrundeliegenden Mechanismus. 

Der da wäre?

Beginnen wir wieder mit dem Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage: Ist die Nachfrage hoch und das Angebot gering, wird derjenige Nachfrager gewinnen, der bei gleich- bleibenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen als attraktiver wahrgenommen wird. Dabei zählen vermehrt weiche Faktoren wie die Darstellung des Unternehmens: Wie ist das Image des Unternehmens? Gehört dem Unternehmen eine starke Marke? Wie hoch ist die Innovationskraft?

Wie werden die Mitarbeiter in ihrer „Work-Life-Balance“ unterstützt? Gibt es Incentives oder Gratifikationen? Diese und ähnliche Fragen werden mir bei der Ansprache meiner Talente immer öfter gestellt. Wir erleben einen massiven Wechsel der Generationen. Ich selber stamme aus der Generation „live-to-work“, die sich über ihre Karriere und die berufliche Entwicklung definierte.

Und das ist heute anders?

Inzwischen haben wir es mehr und mehr mit der Generation „work-to-live“ zu tun, die wesentlich stärker auf die „Work-Life-Balance“ achtet und das berufliche Fortkommen sowie das generierte Einkommen vielmehr als Werkzeug begreift, die eigenen Ziele und Wünsche zu realisieren. Der Fokus hat sich zunehmend dahin verschoben, dass die Person an sich und nicht der Job im Mittelpunkt stehen. Das bedeutet aber auf gar keinen Fall, dass diese Generation einen schlechteren Job macht als die vorherige; der Beruf ist nur nicht mehr das Zentrum der Dinge.

Was zählt für die Talente von heute?

Innere Verbundenheit und Identifikation. Talente von heute möchten sich mehr denn je mit den Werten des Unternehmens identifizieren. Sie möchten ebenso vorankommen wie das Unternehmen selbst. Diese Talente werden dort richtig Gas geben können! Der Stolz auf das Unternehmen und die Arbeit ist für viele auch ein wesentliches Element des Lebenssinns. Wird die eigene Arbeit als sinnvoll und nachhaltig empfunden, dann ist der Anspruch der Talente an die „Work-Life-Balance“ erfüllt. Ein ehemaliger Mitarbeiter beschrieb einen Stellenwechsel mit den Worten „same shit – different flies“. Um in diesem Bild zu bleiben: Mit einem Wechsel muss es für das Talent die Möglichkeit geben, sich von dem „same shit“ zu befreien. Die „different flies“, also beispielsweise ein steigendes Gehalt, sind zwar häufig noch die Wechselmotivation. Aber der Wunsch nach Identifikation und Verbundenheit rückt immer mehr in den Vordergrund.

Was können Unternehmen tun, um im „War for Talents“ zu bestehen?

Wichtig ist es, in das Employer Branding zu investieren. Dies zahlt sich letztendlich in einem überdurchschnittlichen Unternehmenserfolg aus. Es ist essenziell, das eigene Unternehmen glaubhaft als attraktiven Arbeitgeber darzustellen. Durch diese Marketingmaßnahme erreicht man zwei Dinge: Zum einen werden sich bessere, passendere Talente für die offene Position interessieren. Und zum anderen werden sich eigene qualifizierte, erfahrene und leistungstragende Talente mehr mit dem eigenem Tun und dem Handeln des Unternehmens identifizieren und dadurch auch länger an das Unternehmen binden. Genauso wichtig ist es, das Recruiting als solches zu modernisieren bzw. komplett durch ein zeitgemäßes „Talent Scouting“ zu ersetzen.

Was verstehen Sie unter Recruiting?

Der Begriff Recruiting stammt ursprünglich aus dem Militär. Damit ist die klassische Personalgewinnung gemeint: Eine Personalabteilung erstellt eine Stellenanzeige, diese wird in den Medien verbreitet, Interessenten bewerben sich, Vorstellungsgespräche werden geführt, am Ende wird ein Mitarbeiter eingestellt. So lief es zumindest bei mir 1989, als ich bei Henkel anfing und meine Eltern voller Stolz herumerzählten, dass der Sohn jetzt „beim Henkel“ sei und bis zum Ende seines Arbeitslebens dort bleiben werde.

Was muss sich ändern?

Die grundsätzliche Aufgabe bleibt gleich: Es gilt Talente zu finden und diese einzustellen. Aber die Art und Weise ändert sich. Es ist heute schon so, dass über die Hälfte aller Bewerbungen auf digitalen Wegen die Unternehmen erreicht. Bewerbungen werden zunehmend über verschiedenste Kanäle generiert: aus dem eigenen Karriereportal, der Agentur für Arbeit, Stellenbörsen oder aus Netzwerken bzw. direkt über Netzwerker – also Personalberater.

Welche Vorgehensweise würden Sie Unternehmen empfehlen?

„Talent Scouting“ – das heißt: weg von veralteten Strukturen und überspitzten Förmlichkeiten – hin zu kurzen und direkten Kommunikationswegen und zum Schaffen einer Unternehmenskultur mit Mitarbeitern, die nicht nur aufgrund ihrer Erfahrung und ihrer Qualifikation gut zueinander passen. Am Anfang müssen eine ausführliche Analyse der Position und die Erstellung eines realistischen Talentprofils stehen. Das bedeutet für den dann folgenden Prozess, die Wege zu vereinfachen, Wartezeiten und Abläufe zu verkürzen und direkter zu gestalten. Das spart allen Beteiligten Zeit und Geld und schützt vor Überraschungen und Enttäuschungen, die aus nicht erfüllten Erwartungen auf beiden Seiten entstehen können und meistens in einer frühzeitigen Trennung münden.

Was sind die Vorteile des „Talent Scouting“?

Die Beziehung und die Kommunikation zwischen Arbeitgeber und potentiellen Arbeitnehmern müssen stimmen. Unternehmen müssen aktiv auf Bewerber und Kandidaten aus dem externen Arbeitsmarkt zugehen. Durch ein professionelles „Talent Scouting” ist auch auf lange Sicht sichergestellt, dass das Talent als Person gut zu dem Unternehmen passt – vor allem dann, wenn im Vorfeld bereits die Kommunikation stimmt und beide Seiten ein gutes Gefühl haben. Ich als Talent Scout habe ein anderes Mindset als ein klassischer Recruiter und ich kommuniziere anders mit Talenten. „Talent Scouting“ ist das professionelle Finden und Gewinnen von einzelnen handverlesenen Talenten, die exakt zu dem Unternehmen passen.

Kommunikation ist alles?

Nein, aber ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen klassischem Recruiting und „Talent Scouting“. Nach der bereits erwähnten Analyse der zu besetzenden Position und dem Erstellen des Talentprofils geht es darum, die passenden Talente zu finden und mittels Interviews und eines Persönlichkeitstests zu beurteilen. In meiner beruflichen Laufbahn habe ich Hunderte von Kandidaten interviewt, für die verschiedensten Position und Gehaltsklassen. In Spitzenzeiten hatte ich bis zu 160 Mitarbeiter an insgesamt vier Standorten. In diesen Jahren und auch während meiner Zeit in den verschiedenen Start-ups habe ich immer wieder erlebt, wie sehr die Zielerreichung mit den handelnden Protagonisten lebt oder stirbt. Während ich als Unternehmer oftmals eine nur befriedigende Lösung umsetzen musste, kann ich nun als Berater den Finger in die Wunde legen und an der Optimierung des Ergebnisses arbeiten.

Welche Faktoren zeichnen ein erfolgreiches „Talent Scouting“ aus?

Neugier und Kreativität, Kommunikationslust und -stärke. Neugierde ist – davon bin ich überzeugt – die Triebfeder für Kreativität. Was heute „State of the Art“ ist, kann morgen schon überholt sein. Nur wer neugierig ist, wird auch immer wieder von neuen Entwicklungen erfahren und Impulse für neue Ideen bekommen. Hier kommt die Kreativität ins Spiel. Für mich als Talent Scout ist die Fähigkeit, Neues auszuprobieren und eigene Ideen zu entwickeln, ein absolutes Muss. Mit meiner Vorstellungskraft und meinem Ideenreichtum kann ich meine Mandanten unterstützen, ihren „War for Talents“ zu gewinnen. Angefangen von der Talentansprache bis hin zur Beurteilung, wer das beste Talent für den Job ist, muss ich kreativ sein. Neugier betrifft in diesem Kontext vor allem meine Neugier auf neue Menschen und die Charaktere, die diese Menschen ausmachen. Damit bin ich dann auch bei den nächsten Punkten.

Die da wären?

ommunikationslust und Kommunikationsstärke – die Lust darauf, jedes verfügbare Kommunikationsmedium zu nutzen. Heute erwartet das Talent eine Kommunikation auf Augenhöhe. Die Zeiten des „distinguierten Beraters im Zweireiher“ sind vorbei. Medien wie Instagram und WhatsApp ziehen auch in die Welt des Talent Scouting ein. Die berühmt-berüchtigte Generation Y weiß um ihre begehrte Rolle im „War for Talents“. Es wird ein schnelles, ehrliches Feedback im gesamten Scouting-Prozess erwartet. Die Kommunikation findet über den schnellen Austausch von Argumenten statt; auf beiden Seiten des Tisches. Die klassische Rollenverteilung des Fragenden und des Antwortenden, ja sogar das klassische Frage- und Antwort-Bewerbungsgespräch, hat mehr und mehr ausgedient. Als Talent Scout bin ich der verlängerte Arm meines Mandanten, gleichzeitig auch die „Carte Blanche“, da ich im gesamten Scouting-Prozess wesentlich direkter vorgehe.

Wie lautet nun Ihr Fazit?

Der „War for Talents“ stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Aber es gibt verschiedene Maßnahmen, die dabei helfen, vielversprechende Talente zu gewinnen. Das erste Maßnahmenbündel ist die Schaffung eines positiven Arbeitsklimas und einer Identität innerhalb der Branche. Auch die Gestaltung der Arbeitsplätze spielt eine Rolle. Für die Wahl des Arbeitgebers wird entscheidend, ob es ein kreatives Arbeitsklima mit Besprechungszonen und einen offenen Dialog gibt. Oder sitzen die Führungskräfte stattdessen hinter verschlossenen Türen und zitieren eher Untergebene und nicht Leistungserbringer zu den Besprechungen herbei? Dieses zweite Maßnahmenbündel hat eine erhebliche Auswirkung auf die Loyalität der Mitarbeiter und die Dauer der Betriebszugehörigkeit. Maßnahmen zur „Work-Life-Balance“ sorgen dafür, dass Mitarbeiter motiviert und gesund bleiben. Ich habe Mandanten, die ihren Mitarbeitern das Pedelec mit- finanzieren, mit dem diese zur Arbeit pendeln können: So wird zum Beispiel an der CO2-Bilanz und gleichzeitig an der Fitness und Zufriedenheit der Mitarbeiter gearbeitet. Auch der wöchentliche Obst- und Gemüsekorb oder Fortbildungen sowie Kurse im Gesundheits- und Fitnessbereich gehören heute schon zum Alltag in kleineren Unternehmen.

Wie unterstützt mausberg consulting die Unternehmen dabei, passende Talente zu finden? 

Marcus Bereits seit 2015 arbeiten wir im Talent Scouting und in der Unternehmens- beratung. Wir erarbeiten Programme für das Employer Branding, wir unterstützen Mandanten und Talente während des gesamten Scouting-Prozesses und coachen generell beteiligte Mitarbeiter in den Bereichen Sales & Marketing. Unser Fokus liegt auf dem Talent Scouting für mittelständische und konzerngebundene Unternehmen. Seit Mitte dieses Jahres sind wir in den genannten Bereichen auch branchenübergreifend tätig. So konnten wir jüngst einer sehr etablierten Werbe- und Kommunikationsagentur bei der Besetzung einer strategischen Position im Business Development helfen. Das ist für uns insofern ein Meilenstein, als wir uns hier auf unsere Prozesse verlassen mussten in einer Branche, in der wir noch nicht über den Grad an Vernetzung verfügen, wie dies in der Wasch- und Reinigungsmittel-Branche sowie der Kosmetikindustrie der Fall ist.

Vielen Dank für das interessante Gespräch!

Auch ich bedanke mich für das Gespräch!

 

 

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