Konsortium ALT-SPF

Jürgen Vollhardt, Global Head of Science & Promotion Sun Care at DSM, Member of ISO TC217/WG7 for SNV / Uli Osterwalder, Direktor und Inhaber, Sun Protection Facilitator GmbH, Chair of ISO TC217
DSM / Sun Protection Facilitator GmbH

Kürzlich wurde ein Aufruf zur Interessenbekundung für einen Beitritt zum ALT-SPF-Konsortium veröffentlicht. Können Sie in kurzen Worten erklären, worum es dabei geht?

J. Vollhardt: Das ALT-SPF-Konsortium hat sich zum Ziel gesetzt, Unternehmen der Sonnenschutzindustrie und Entwicklern alternativer Tests auf der ganzen Welt zusammenzubringen. Mit dieser Initiative wollen wir die Ressourcen unserer Industrie bündeln, um den lang gehegten Wunsch zu verwirklichen, neue alternative SPF-Methoden im Vergleich zum in vivo-SPF, wie er in der Norm ISO 24444 definiert ist, hinreichend genau (Richtigkeit und Präzession) zu charakterisieren. Die alternativen Verfahren sollten ein Produkt weder über- noch unterschätzen. Die erhobenen Daten sollen es Gremien wie der ISO ermöglichen, solche Methoden zu validieren und sie für die allgemeine oder spezifische Anwendung zu empfehlen. Wir wollen auch allen relevanten alternativen Methoden die Chance geben, sich mit dem Goldstandard zu vergleichen. Dieser Aufruf zur Beteiligung ist der erste Schritt, um alle wichtigen Akteure zusammenzubringen. Weitere Teile für das Konsortium, wie z.B. In-vivo-Testinstitute, werden in einem zweiten Schritt einbezogen.

Was sind Ihrer Meinung nach die Schwächen der ISO-Norm 24444:2019?

U. Osterwalder: Zunächst einmal misst der in vivo SPF-Test eine sehr wichtige Zahl, die die Sonnenschutzleistung auf der menschlichen Haut charakterisiert. Das SPF-Testverfahren liegt nahe an der tatsächlichen Anwendung der Produkte. Der gemessene Schutz vor Sonnenbrand (Erythem) ist auch im Hinblick auf den Schutz vor Hautkrebs aussagekräftig. Deshalb sollten neue Methoden so nah wie möglich an den Werten dieses Goldstandards liegen. Deshalb sollten neue Methode wirklich möglichst genau mit den Werten aus diesem Test übereinstimmen. Der Test ist langwierig und es kann je nach Aufkommen am Testinstitut bis zu einigen Wochen dauern bis man das Ergebnis hat. Dies hilft einem Sonnenschutzmittelhersteller bei der Entwicklung kaum. Wünschenswert wäre deshalb ein etwas einfacheres und schnelleres Verfahren. Zudem soll die Strahlendosis, die durch eine alternative Methode abgegeben wird, vernachlässigbar sein.

Wen möchten Sie mit dem ALT-SPF-Projekt erreichen?

J. Vollhardt: Das ALT-SPF-Konsortium richtet sich an die gesamte Sonnenschutzmittelindustrie und alle, die daran beteiligt sind. In erster Linie die Anwender des SPF-Claims, d.h. die Sonnenschutzmittelhersteller, die ein Interesse daran haben, wie der LSF in Zukunft gemessen werden soll. Aber auch für die Anbieter von UV-Filtern und Inhaltsstoffen im Sonnenschutz, wie z.B. DSM, ist es ein interessantes Thema. Wir werden natürlich auch Prüfinstitute mit konventionellen oder alternativen Methoden sowie Sonnenschutzexperten einbeziehen, die dazu beitragen können und wollen. Wir wollen eine interessante Methode mit Potenzial nicht verpassen. Und für die neuen Methoden ist es eine einzigartige Chance ihr Können global unter Beweis zu stellen. 

Gibt es nicht bereits Daten die Übereinstimmung zeigen?

U. Osterwalder: Davon gehen wir natürlich aus und hoffen dass die Methodenentwickler solche Daten vorweisen können. Es ist viel über die verschiedenen Methoden veröffentlicht worden, zum Beispiel über die in vitro-Transmission, in vivo/in vitro Hybrid Diffuse Reflexion (HDRS) oder in silico Simulation. Aber es zeigt sich, dass der Teufel immer im Detail steckt. Es gibt verschiedene Fehlerquellen, die sich manchmal willkürlich gegenseitig aufheben. Dieser Zufall kann aber auch gegen eine Methode wirken. Aber die Sicherheit des Konsumenten und auch der Erfolg einer Methode sollten nicht auf Zufall basieren. Es braucht deshalb ein Testverfahren, dass ganz klar die Schwächen einer Methode abprüft und Fehlerquellen nicht pauschal, wie das übliche Korrelationsdiagramme machen, sondern explizit einzeln aufspürt. Das braucht ein effizientes, kostensparendes Testdesign. Neuere statistische Methoden sind in dafür in den letzten Jahren entwickelt worden, die genau das können. Trotzdem rechnen wir mit einem signifikanten Testaufkommen, um möglichst repräsentativ zu sein. 

Welche Auswirkungen erwarten Sie von den Ergebnissen des ALT-SPF-Projekts?

U. Osterwalder: Die Charakterisierung der Alternativmethoden im Vergleich zum Goldstandard wird Daten liefern, die einen Validierungsprozess ermöglichen, der den Anwendungsbereich der Alternativmethoden definiert wird. Dazu müssen Kriterien erarbeitet und vereinbart werden. Ein Ersatz der guten alten in vivo-Methode könnte die Sonnenschutzmittel-Entwicklung beschleunigen, da sie verlässliche Zwischenergebnisse liefern würde. Auch bei der Marktüberwachung durch Behörden könnten die neuen Methoden breiter eingesetzt werden. 

Wie können interessierte Partner zum Projekt beitragen?

J. Vollhardt: Es wird viel Expertise brauchen, z.B. über die verschiedenen Typen von Sonnenschutzmitteln, der spezifischen Bedürfnisse der Industrie oder auch legal Gesichtspunkte des Konsortiums. Gegenwärtig sind bereits erfahrene Statistiker für die Methodenvalidierung mit an Bord und haben einen Versuchsplan und eine statistisches Analyseverfahren für die Daten vorgeschlagen, den es zu komplettieren gilt. Am Ende steht dann ein experimenteller Aufbau und eine dazugehörige statistische Auswertung, die detaillierte Eigenschaften der Alternativmethoden liefern soll und zwar sehr effizient. Trotzdem gehen wir von einem immer noch erheblichen Testaufwand aus. Um das gesamte Projekt zu finanzieren, brauchen wir Sponsoren. Wir denken dabei insbesondere an Sonnenschutzmittelhersteller. Die Testinstitute werden ihren Beitrag in Form von Messungen leisten.. Natürlich begrüßen wir auch andere wichtige Interessenvertreter, die diese Aktivität vorantreiben wollen. Viele Experten sind bereits an ISO TC217 WG7 (Sonnenschutz) beteiligt. Das ALT-SPF Konsortium plant eine formelle Liaison mit der ISO, um noch enger zusammenzuarbeiten, wie es z.B. Cosmetics Europe schon seit langem tut (siehe Abbildung).

Wo können Sie weitere Informationen über das Projekt finden?

J. Vollhardt: Die zentrale Informationsquelle ist derzeit unsere "Konsortium ALT-SPF"-Webseite: www.alt-spf.com, wo der Aufruf zur Interessenbekundung für die Teilnahme am Konsortium noch bis zum 1. September offen ist. Dort finden Sie ein Teilnahmeschreiben und ein Formular, in dem Sie angeben können, auf welche Weise Sie das Konsortium unterstützen wollen, z.B. als Sponsor und/oder durch Sachleistungen. 

Welche Rolle spielt das ALT-SPF Konsortium in Bezug auf die ISO?  

Osterwalder: ISO entwickelt internationale Normen auf freiwilliger Basis. Die Experten kommen hauptsächlich aus der Industrie, aber auch aus anderen Interessengruppen wie Behörden oder Konsumentenorganisationen. Die Arbeit wird von allen bezahlt. Eine fundierte Validierung, die im Interesse aller liegt, bedeutet einen Mehraufwand. Hier setzt das Konsortium ALT-SPF an. Das Konsortium ALT-SPF will sicherstellen, dass die Charakterisierung nach wissenschaftlichen Standards durchgeführt wird und dass jede relevante Alternativmethode, die den Aufwand nicht scheut, eine Chance erhält. Die resultierenden Daten werden so konfiguriert sein, dass sie von interessierten Behörden oder Standardisierungsgremien zur Validierung verwendet werden können. Die Abbildung veranschaulicht diese Rolle.

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Rolle des Konsortiums ALT-SPF und Zusammenarbeit mit ISO TC 217 und den regionalen Handelsorganisationen für Kosmetik

Wie sieht der Zeitplan aus? 

J. Vollhardt: Das ALT-SPF Konsortium befindet sich jetzt in der Aufbauphase. Sobald der Konsortialvertrag unterzeichnet ist, werden die Muster an die Testinstitute verteilt und die eigentliche Testphase kann beginnen. Dies wird im letzten Quartal des Jahres 2020 geschehen. Die Tests sollen sechs Monate dauern. Das bedeutet, dass im zweiten Quartal 2021 die Ergebnisse in einem Bericht zusammengefasst werden können. Diese werden dann in einer wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht, d.h. in etwa einem Jahr, wenn alles nach Plan verläuft.  

Warum sollte ein Körperpflegeunternehmen Sponsor des ALT-SPF-Konsortiums werden?

J. Vollhardt und U. Osterwalder: 

Als ein Körperpflegeunternehmen, das diese Initiative sponsert: 

-    haben Sie Zugang zu einer riesigen Datenmenge für die Charakterisierung von alternativen SPF-Testmethoden

-    lernen Sie die Leistungsfähigkeit der neuen Methoden im Detail und für verschiedene Produktkategorien aus erster Hand kennen und können Ihre Technologieauswahl für Ihre Ansprüche treffen

-    können Sie mit ISO-Experten, die an den Alternativmethoden arbeiten, interagieren

-    können Sie Ihre Erwartung in Bezug auf maximale Fehlergrenzen und notwendige Präzision erläutern

-    werden Sie verstehen, warum die Charakterisierungsmethode gerichtlichen Anfechtungen standhalten würde, da sie nach dem neuesten Stand der Technik in der Statistik und verschiedenen veröffentlichten oder in Vorbereitung befindlichen Normen durchgeführt wird.

-    werden Sie dazu beitragen, der Industrie eine schnelle und zuverlässige Methode zur Verfügung zu stellen, die auch Ihren Entwicklungsprozess besser unterstützen wird

-    werden Sie die detaillierte Untersuchung der Methoden bis hin zur Quantifizierung des probenspezifischen Fehlers, ihren Variationsbreite im Vergleich zu in vivo unterstützen und auf diese Weise die Anwendbarkeit und den Anwendungsbereich der neuen Methoden richtig definieren.

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Bei diesem Interview handelt es sich um die persönliche Meinung der interviewten Personen und nicht um ein offizielles Statement des ISO-Komitees.

 

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