Dem Trend zu silikonfreier Kosmetik einen Schritt voraus

Interview mit Engin Temeltaş, Product Stewardship Personal Care Europe und Yeah-Young Baek, Market Development Skin Care Europe
BASF

Die Verwendung flüchtiger Silikone neigt sich in der Kosmetikindustrie ihrem Ende zu. Strenge neue Vorschriften und zunehmend umweltbewusstere Verbraucherinnen und Verbraucher treiben die Umstellung auf silikonfreie Produkte voran. Warum passiert das gerade jetzt? Und welche Alternativen gibt es? Die BASF-Experten Engin Temeltaş aus dem Bereich Product Stewardship und Yeah-Young Baek aus dem Marketing teilen Einblicke zu diesem wichtigen Trend. 

SOFW: Warum gewinnt der Trend zu silikonfreien Kosmetika zunehmend an Bedeutung?

Temeltaş: Hinter diesem Trend stecken zwei treibende Kräfte: strengere Vorschriften und sich verändernde Präferenzen bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Wenn es um Vorschriften für Silikone in Kosmetika geht, sprechen wir hauptsächlich über drei kommerzielle, cyclische bzw. flüchtige Siloxane: D4, D5 und D6. Sie werden streng reguliert, weil sie in kosmetischen Produkten häufig verwendet wurden (im Falle von D4) oder weiterhin genutzt werden, jedoch negative ökologische Auswirkungen haben. Dies gilt insbesondere für D4, das zur Kategorie 1 der Gefahrenklasse „chronische aquatische Toxizität“ gehört und eine verpflichtende Einstufung in Kategorie 2, „fortpflanzungsgefährdend“, hat, was darauf hinweist, dass der Stoff für den Menschen schädlich ist. D5 und D6 sind ebenfalls persistent, nicht biologisch abbaubar und letztlich umweltschädlich.

Regierungen auf der ganzen Welt beschränken die Verwendung dieser Stoffe in Kosmetika oder verbieten sie sogar ganz. Während die aktive Verwendung von D4 in Kosmetikprodukten gemäß der EU-Kosmetikverordnung (EU/1223/2009) bereits verboten ist, können diese dennoch aufgrund unbeabsichtigter Verunreinigungen durch andere Rohstoffe weiterhin enthalten sein.  Um auch diese unbeabsichtigte Verunreinigung gesetzlich abzudecken, werden sie in der Europäischen Union als besonders besorgniserregende Stoffe (SVHC) eingestuft. Für Rinse-Off-Produkte ist die Verwendung von D4 und D5 in einer Konzentration von 0,1 % oder höher bereits seit Februar 2020 untersagt.

Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hat nun einen Vorschlag vorgelegt, diese Beschränkung auf D6 auszudehnen und auch Leave-on-Anwendungen für alle drei cyclischen Siloxane mit einzuschließen. Wenn dieser Vorschlag angenommen wird, haben Hersteller fünf Jahre Zeit, die Verwendung dieser Stoffe einzustellen. Auch außerhalb der EU werden immer mehr Gesetzgebungsinitiativen mit ähnlichem Schwerpunkt angestoßen. Da Cyclomethicone schon seit einigen Jahren in der Kritik stehen, haben einige Unternehmen diese Stoffe bereits aus ihren Produkten ausformuliert. Die jüngsten Entwicklungen im rechtlichen Bereich schaffen nun weitere Anreize dafür.

Baek: Ich glaube, dass dies eine wichtige Chance für Kosmetikhersteller ist. Wenn Unternehmen diesem rechtlichen Trend einen Schritt voraus sind, können sie sich verändernde Präferenzen von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu Nutze machen. Natürlich können sie vorübergehend rechtliche Beschränkungen umgehen, indem sie cyclische Siloxane durch andere Silikone ersetzen, über die (noch) nicht debattiert wird. Dieser Ansatz entspricht jedoch immer noch nicht den Wünschen von Verbraucherinnen und Verbrauchern, die natürliche und nachhaltige Produkte möchten.

Der Ersatz von Silikonen wie D4, D5 und D6 durch nachhaltige, biologisch abbaubare Alternativen hingegen ermöglicht es Herstellern, diese sich ändernden Erwartungen zu erfüllen, die manchmal auch als „Clean-Beauty-Trend“ bezeichnet werden. Dennoch bleibt eine Herausforderung: Umweltfreundlichere Produkte müssen dieselbe Leistung erbringen wie Formulierungen mit Silikonen. Das ist nicht einfach, denn Silikone bringen äußerst angenehme sensorische Eigenschaften mit sich und bieten zudem eine hohe technische Leistungsfähigkeit, die nur schwer durch andere Stoffe zu erreichen ist.

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SOFW: Wie reagiert BASF darauf?

Temeltaş: Wir entwickeln unser Portfolio mit nachhaltigen Alternativen weiter – und zwar ohne jegliche Silikone, nicht nur ohne die Stoffe, die immer mehr im Fokus von Regulierungsbehörden stehen. Unsere Fachleute entwickeln modernste Lösungen, die es ermöglichen, auf die Verwendung sämtlicher Silikone in Kosmetika zu verzichten. Dieser vollständige Ersatz versetzt Hersteller in eine starke Position, da ihre Produktformulierungen den Vorschriften für Silikone in Kosmetika immer und überall auf der Welt voraus sind.

Baek: Emollients sind ein gutes Beispiel. Diese Inhaltsstoffe sind besonders wichtig, um Kosmetikprodukte zu entwickeln, die sich auf der Haut gut anfühlen und angenehme Texturen haben.  Besonders leichte Texturen sind bei Verbraucherinnen und Verbrauchern sehr beliebt. Emollients bilden außerdem eine Schutzschicht auf der Haut, sorgen für die Versorgung mit Feuchtigkeit, lösen lipophile Wirkstoffe und kristalline UV-Filter und helfen bei der Dispersion von Pigmenten. Wir haben den Einsatz von cyclischen Siloxanen in verschiedenen kürzlich auf den Markt gebrachten Produkten für Hautpflege und dekorative Kosmetik weltweit untersucht. Rund 50 % der Foundations für das Gesicht und etwa 20 % der Make-up-Entferner enthielten mindestens eines dieser Silikone. Wir bieten nachhaltige Alternativen für diese beiden Kategorien mit den entsprechenden Leitungsnachweisen an.

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SOFW: Was genau sind diese Alternativen?

Baek: Für die Anwendung als Make-up haben wir beispielsweise ein getöntes, flüssiges Tagespflegeprodukt entwickelt, in dem ein flüchtiges Silikon durch Cetiol® Ultimate (INCI: Undecane (and) Tridecane) ersetzt wurde. Dabei handelt es sich um ein extrem schnell spreitendes Emollient, das zu 100 % pflanzlichen Ursprungs ist. Die W/O-Formulierung wurde auf mechanische Wisch- sowie Regenfestigkeit, Glanzkinetik und Farbhomogenität getestet und erzielte die gleichen Ergebnisse wie die Rezeptur mit Silikon. Mit unserer nachhaltigen Alternative konnten wir einen Lichtschutzfaktor von 25 realisieren. Das Tagespflegeprodukt verleiht ein natürliches Erscheinungsbild, bei dem im Laufe der Zeit keine Farbveränderung entstehen. Es lässt sich leicht verteilen und sorgt für ein pudriges und glattes Hautgefühl.

In der zweiten Kategorie haben unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen zweiphasigen Make-up-Entferner entwickelt. Er enthält eine Mischung aus drei zu 100 % pflanzlich-basierten Emollients, die 39 % der gesamten Formulierung ausmachen und einen flüchtigen Silikoninhaltsstoff ersetzen, der in der Referenz-Formulierung ebenfalls einen Anteil von 39 % hatte. Die optimale Mischung aus nachhaltigen Emollients wurde mithilfe eines digitalen Modellierungstools entwickelt, das künstliche Intelligenz (KI) nutzt. Tests haben gezeigt, dass der Ersatz des flüchtigen Silikons durch unsere pflanzliche Alternative ebenso gute sensorische Eigenschaften des Make-up-Entferners ermöglicht wie das Referenzprodukt. Wir konnten somit eine Formulierung für einen silikonfreien, zweiphasigen Make-up-Entferner entwickeln, der eine ausgezeichnete Leistung beim Entfernen verschiedener dekorativer Kosmetika erzielt. Zudem verursacht die Formulierung kein Tränen der Augen, ist nicht klebrig, für die Kaltherstellung geeignet und zu 98 % natürlichen Ursprungs gemäß ISO 16128. Tatsächlich schnitt unsere Formulierung sogar noch besser ab als das Produkt, das Silikone nutzte. 

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SOFW: Wie wird sich der Trend zu silikonfreien Produkten Ihrer Meinung nach in Zukunft entwickeln?

Temeltaş: Ich gehe davon aus, dass weltweit Vorschriften für die Verwendung von cyclischen Siloxanen eingeführt werden und dass diese Substanzen letztendlich auf der ganzen Welt verboten werden. In Kanada beispielsweise steht D4 aufgrund seiner Umwelttoxizität bereits im Fokus. Angesichts der neuen europäischen Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit (European Chemicals Strategy for Sustainability, CSS), der aktuellen Initiative im Rahmen des europäischen Green Deals, können wir erwarten, dass zukünftig ähnliche Beschränkungen wie die für cyclische Siloxane auch für weitere Stoffe derselben Chemikaliengruppe erlassen oder zumindest diskutiert werden. 

Baek: Das ist die  Zukunft – aber das können wir schon heute erreichen. Unsere nachhaltigen Alternativen bieten Unternehmen in dieser Branche eine Möglichkeit, Silikone jetzt in ihren Produktformulierungen zu ersetzen, anstatt zu warten, bis sie keine andere Wahl mehr haben. 

Wir versuchen jedoch nicht nur, den Vorschriften der Regulierungsbehörden einen Schritt voraus zu sein. Wir betrachten den Clean-Beauty-Trend als große Chance für Unternehmen dieser Branche, ihr Produktsortiment zukunftssicher zu machen, indem sie frühzeitig auf veränderte Erwartungen von Verbraucherinnen und Verbrauchern reagieren. Kosmetikhersteller, die silikonfreie, sichere und biologisch abbaubare Produkte anbieten, können sich in den kommenden Jahren an der Spitze des Marktes positionieren. Unsere nachhaltigen Alternativen zu flüchtigen Silikonen eröffnen hierfür attraktive Möglichkeiten. Und wir stellen Lösungen bereit, die diese Möglichkeiten ausschöpfen und gleichzeitig die Leistung und das Gefühl bieten, das Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten.

www..basf.com

www.carecreations.basf.com

Engin Temeltaş,
Product Stewardship Personal Care Europe
Engin Temeltaş verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Chemie-Branche. Bevor er 2020 in seiner jetzigen Funktion zur BASF Personal Care & Nutrition GmbH kam, hatte er verschiedene Funktionen in der Beschichtungsindustrie inne, darunter Forschung und Entwicklung, REACH, Regulatory Affairs und Product Stewardship.

Yeah-Young Baek
Market Development Skin Care Europe
Yeah-Young Baek hat einen Master-Abschluss in Biotechnologie und verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung bei BASF in der Kosmetik- und K rperpflegeindustrie an verschiedenen Standorten im regionalen und internationalen Marketing. Nach der  bernahme von Cognis wechselte sie nach Deutschland, wo sie nun für die Markteinführung von Hautpflegeprodukten in Europa verantwortlich ist.

SOFW Journal 03/22 | 148 Jahrgang | Thannhausen, 17. März 2022

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